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Ökologische Kreislaufwirtschaft: Biohof Jacobi geht neue Wege in der Kälberaufzucht
Eigentlich träumte sie von einer Karriere als PR-Managerin in einer großen Stadt, er dagegen flirtete mit einer akademischen Laufbahn als Politikwissenschaftler. Doch das Leben schreibt ja bekanntlich eigene Geschichten, und so kam alles anders: Kate und Julius Jacobi aus Borgentreich-Körbecke haben inzwischen vollständig „umdisponiert“ und führen seit wenigen Jahren den Biohof Jacobi in dritter Generation. Inmitten der Weite der fruchtbaren Warburger Börde, nur einen Katzensprung von Hessen entfernt, hat das junge Ehepaar seine Bestimmung gefunden. Mit viel Leidenschaft, Energie und innovativen Ideen machen sich die beiden daran, den traditionsreichen Hof, der seit 1980 ökologisch wirtschaftet, weiter zukunftsfähig zu machen.
Landwirtschaft – das bedeutet in heutigen Zeiten Herausforderung. Preisdruck, finanzielle Sorgen, extreme Arbeitszeiten und ungewisse Perspektiven lassen das Leben vor allem für junge Leute auf einem Bauernhof üblicherweise wenig attraktiv erscheinen. Doch Julius Jacobi, der Sohn des Hauses, hat da seine eigenen Erfahrungen. Als er sich doch für eine Ausbildung in einem landwirtschaftlichen Betrieb in Minden entschied, wusste der heute 29-Jährige ganz schnell: „Die Arbeit macht mir unheimlichen Spaß, und das ist doch genau meins.“ Kein Tag sei wie der andere, man erlebe immer etwas Neues, der Beruf sei total vielseitig. Ähnlich sieht das Ehefrau Kate, die ebenfalls in den landwirtschaftlichen Betrieb eingestiegen ist und auf dem Hof im beschaulichen Körbecke eine neue berufliche und private Heimat gefunden hat.
Kreislaufsystem steht im Mittelpunkt
Milchvieh, Ackerbau und Saatgutvermehrung (bis zu 40 verschiedene Saatgutsorten) bestimmen seit jeher die ökologische Landwirtschaft in Körbecke. In der Region beliebt und angesagt ist der hofeigene Bauernkäse, welcher in verschiedenen Varianten nicht nur im Hofladen verkauft wird, sondern auch auf den Märkten der Region begeisterten Absatz findet. Der Bio-Regional-Einkaufsführer aus der Öko-Modellregion Kulturland Kreis Höxter gibt Aufschluss darüber.
„Wir wollen den bislang gut funktionierenden Betrieb nicht plötzlich auf links krempeln“, sagt Julius Jacobi, der den Hof 2020 von seinem Vater Josef Jacobi übernommen hat. Nach wie vor steht die ökologische Kreislaufwirtschaft im Mittelpunkt. Das heißt: Die Tiere fressen Gras auf den Weiden, pflegen die Kulturlandschaft, liefern Milch und Fleisch und zusätzlich natürlichen Dünger für die Pflanzen.
Schönes Leben für Bullenkälber
Doch die ein oder andere Stellschraube will das junge Paar nun verändern: Mit der Aufzucht der „Bruder Bullen“ gehen die Jacobis neue Wege. Denn: Mit großem Unbehagen geben viele ökologisch wirtschaftende Milchviehbauern ihre männlichen Kälbchen – die spenden ja künftig keine Milch – an die Viehhändler ab. Die Kälber landen meist in konventionellen Mastanlagen – und dort wartet alles andere als eine artgerechte Haltung und Aufzucht auf sie. „Das muss ja gar nicht so sein“, meint Kate Jacobi und hat sich gemeinsam mit ihrem Mann entschieden, dass auch die männlichen Nachkommen aufgezogen werden. So verlässt seit Frühjahr 2021 kein Bullenkalb mehr den Biohof.
Artgerechte Haltung
Die Bullenkälber säugen in Körbecke entweder bei der Mutter oder den Ammen und fressen draußen auf der Weide oder im Stall Gras und Heu. „Acht Ammen versorgen ungefähr 15 bis 20 Kälber“, erzählt Julius Jacobi. Wenn die Stillzeit der Mutter und der Ammen vorbei ist, werden die Kälber von der Milch entwöhnt und in Jugendgruppen eingeteilt. So können die kleinen Bullen neben ihren Schwestern weitere fünf Monate artgerecht aufwachsen, bevor sie mit ungefähr zehn Monaten geschlachtet werden. „Auch als Milchviehhalter geht es nicht an, nur Milch und Käse zu vermarkten, aber den Rest nicht“, sind die Jacobis der Meinung. Zumal das Fleisch der „Bruder Bullen“ als etwas Besonderes gilt. Denn es ist zart, mager und für viele Zubereitungsvarianten in der Küche geeignet. „Zudem hat es eine dunklere, kräftigere rosa Farbe als das klassische Kalbsfleisch, das meist aus der umstrittenen Milchmast stammt“, klärt Julius Jacobi auf.
Erfolg bei „Land & Lecker“
Bei der erfolgreichen WDR-Sendung „Land & Lecker“ begeisterte Kate Jacobi bereits die anderen kreativen Landfrauen und Männer mit ihren leckeren Kalbsgerichten und belegte auf der Schlemmerreise schließlich den zweiten Platz. Doch trotz guter Resonanz auf diese ökologische Tierhaltung bleibt die Direktvermarktung dieses Fleisches ein durchaus ambitioniertes Projekt. Und die Jacobis haben gemerkt, dass der Verkauf nicht ganz so einfach ist, wie gedacht.
Per Rundmail werden die Kunden und Kundinnen im Verteiler bislang über die variantenreichen Fleischpakete informiert. Im eigenen Hofladen lässt sich ebenfalls (gefrorenes) Fleisch der Bullenkälber erwerben. Die beiden Landwirte möchten gern dieses „regionale Produkt in der Region“ halten. Auch über Online-Versand – der Hof Jacobi ist sehr aktiv auf vielen Social-Media-Kanälen – wird intensiv nachgedacht.
Finanzielles Risiko
Denn eines ist sicher: Nur wenn eine dauerhafte Abnahme des Bio-Kalbfleisches möglich wird, kann dieses Projekt erfolgreich sein. Julius und Kate Jacobi jedenfalls lassen sich trotz erster Schwierigkeiten – es kommen ja mehr Bullenkälber, die vermarktet werden müssen – nicht entmutigen.
Sie halten an der regionalen Initiative fest, wissen aber auch: „Das ist nicht die einfache Patentlösung für alle Betriebe.“ Doch die Jacobis, denen das Tierwohl am Herzen liegt, erscheint diese Art der Landwirtschaft im Sinne des ökologischen Kreislaufs eine „gute vertretbare Lösung und absolut folgerichtig.“ Die junge Familie ist froh, ihren eigenen Weg gewählt zu haben – schließlich ist der Betrieb längst Teil ihres Lebens geworden. Ein wichtiger Teil, den Kate und Julius Jacobi mit Söhnchen Jost (3) nicht mehr missen möchten.
Martina Schäfer
Weitere Infos: Biohof Jacobi im Netz: www.biohof-jacobi.de