Rückkehrer fragen – Landrat antwortet …
Interview mit Landrat Michael Stickeln
Katharina von Ruschkowski ist Journalistin und Rückkehrerin – und mit vielen anderen Rückkehrern in Kontakt. Bei vielen ihrer Gespräche geht es immer wieder um ähnliche Fragen. Grund genug, im Interview mit Landrat Michael Stickeln darauf Antworten zu suchen.
Herr Stickeln, warum sind Rückkehrer für den Kreis so attraktiv?
Zunächst einmal aus ganz naheliegenden Gründen: Wir brauchen für die Zukunft Menschen, die das Leben hier gestalten, bereichern, aufrechterhalten. Menschen, die sich einbringen – im Ehrenamt, aber vor allem in der Arbeitswelt. Die Babyboomer gehen bald in Rente. Der „Fachkräfte-Mangel“ – das ist jetzt und auch in Zukunft eine Herausforderung für unsere Region. Hinzu kommt: Rückkehrer bringen – so wie Zugezogene – nicht nur Expertise für ihren Beruf mit, sondern auch neue Ideen, neue Perspektiven aufs Land. Die Kabarettistin Sarah Hakenberg, die nach vielen Stationen anderswo nach Warburg gezogen ist und nun mit zartbitterem Humor das Land auf die Schippe nimmt, ist ein prominentes Beispiel dafür.
Aber Sarah Hakenberg amüsiert sich auch über das Traditionsbewusstsein der Ostwestfalen, darüber, dass man gern beim Gewohnten bleibt. Ist der Kreis bereit für Rückkehrer mit neuen Ideen?
Ja, das sehe ich absolut. Vergangenes Jahr war ich für meinen Wahlkampf über Monate hinweg im Kreis unterwegs, nahezu jeden Tag in einem anderen Dorf. Und ich habe gestaunt, was es hier alles gibt, wie facettenreich der Kreis ist, wie einfallsreich und vielseitig engagiert seine Menschen sind. In Godelheim betreibt zum Beispiel ein junges Paar regenerative Landwirtschaft; eine junge Frau, ebenfalls Rückkehrerin, hat einen mobilen Unverpackt-Laden eröffnet. Das sind gute Ideen und die werden auch angenommen.
Rückkehrer erzählen aber auch, dass sie für neue Ideen oder Impulse zunächst keinen Applaus bekommen.
Vielleicht ist das etwas Westfälisches: Man schaut erstmal, lässt aber gewähren. Ich bin mir sicher, dass man für neue Ideen Unterstützung erfährt, wenn man die Menschen in seiner Umgebung mitnimmt.
Was sollten Rückkehrer mitbringen, um hier neu starten zu können?
Leidenschaft – für ihre Ideen, für die Heimat und, ja, vielleicht auch die Fähigkeit, sich nicht allzu schnell entmutigen zu lassen. Neuanfänge brauchen Zeit, überall.
Für viele, die zurückwollen, ist ein Job die Grundvoraussetzung. Welche Jobperspektiven bietet der Kreis Rückkehrern?
Unsere Arbeitslosenquote liegt aktuell bei 3,1 Prozent – diese Zahl erzählt vieles. Wir haben hier zahlreiche erfolgreiche mittelständische Familienunternehmen in unterschiedlichen Branchen und auch leistungsstarke Landwirtschaft und Handwerk, die ein viel besseres Image verdienen, als sie teilweise haben.
Eine andere Möglichkeit ist ja die, sich selbstständig zu machen, den eigenen Beruf, die eigene Idee in den Kreis zu bringen. Gibt es über die übliche Existenzgründerberatung hinaus Angebote, um Selbermacher zu fördern?
Ansprechpartner kann da immer unsere Gesellschaft für Wirtschaftsförderung sein, aber auch ich selbst. Wenn sie eine Idee haben, von der sie noch nicht wissen, ob und wie sie im Kreis zu realisieren ist, stehe ich gern zur Seite. Sicher werde ich nicht ad hoc in der Lage sein zu sagen: So oder so lässt sich das jetzt machen. Aber ich kann Ratgeber sein und weitere Ansprechpartner empfehlen. Und das tue ich gern.
Für die meisten neuen Berufsmodelle oder -bilder ist eine gute Internetanbindung das A und O. Wie weit ist die Digitalisierung im Kreis vorangeschritten? Und wohin geht die Reise?
Wir verfügen derzeit auf mehr als 95 Prozent der Kreisfläche über eine gute Grundversorgung bis zu 100 Mbit/Sek. Diese Bandbreite reicht für Netzzugänge im beruflichen Bereich momentan meist noch aus. Im kommenden Jahr wird es noch einmal einen großen Schritt vorangehen – weil das Thema, wie Sie sagen, für viele Bereiche des Lebens enorm wichtig ist: Arbeit, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Mobilität im Kreis, Klimaschutz. Gemeinsames Ziel aller Kommunen ist es, die Glasfaser bis in jedes Haus zu bringen. Wir werden 2022 ein Markterkundungsverfahren durchführen, um dann beginnend ab 2023 letzte ‚graue Flecken‘ mit Fördermitteln zu schließen.
Warum hängen Breitband und Mobilität zusammen?
Wir wollen die Rahmenbedingungen schaffen, um das Auto perspektivisch weniger nutzen zu müssen. ÖPNV ist für viele derweil keine Alternative. Bloß: Noch mehr Linien einzurichten, auf denen dann oft fast leere Busse pendeln, ist es aber auch nicht. Das ist sowohl ökonomisch als auch ökologisch kaum mehr tragbar. Insofern ist es mir ein großes Anliegen, die Breitband-Versorgung voranzubringen. Sie kann manche Fahrt zur Arbeit ersparen. Und die Vorteile dessen liegen auf der Hand: weniger Stress, mehr Möglichkeiten, Familie und Beruf unter einen Hut zu kriegen. Um genau das hinzukriegen, ist es mindestens genauso wichtig, ausreichend Betreuungsmöglichkeiten zu schaffen.
Junge Frauen, die zurückkehren und Kinder bekommen, möchten schnell wieder in den Job einsteigen. Doch zuletzt gingen Nachrichten wie diese um: Kita-Plätze im Kreis sind knapp, Kita-Umbauten ziehen sich in die Länge …
Tatsächlich ist die Nachfrage enorm gestiegen, deutlich höher, als dies zu erwarten war. Weil, was uns sehr erfreut, viel mehr Kinder geboren worden sind, als
uns Studien vorausgesagt haben. Und weil insbesondere der Bedarf an Betreuungsmöglichkeiten für Unter-Dreijährige doch höher ist als lange angenommen. Wir sind nun aber mit großem Engagement dabei, diese Herausforderung zu meistern und den Kita-Ausbau weiter voranzutreiben. Für 2022 steht fast ein Fünftel des Kreishaushaltes für den Betrieb und Ausbau der Betreuungsstrukturen bereit: 56 Millionen Euro, einschließlich der Mittel von Bund und Land. Das ist eine große, aber auch sehr wichtige Summe mit dem klaren Ziel, Eltern mit der Kindertagesbetreuung zu unterstützen und ein nachhaltig familienfreundlicher Kreis zu sein.
Wie kommen Sie eigentlich mit gebürtigen Höxteranern, die darüber nachdenken zurückzukehren, in Kontakt? Und wie kann man als potentielle Rückkehrerfamilie mit dem Kreis in Kontakt bleiben?
Wir haben mit der Rückkehr Agentur eigens eine Struktur geschaffen, die in den vergangenen Monaten Instrumente und Elemente aufgebaut hat. Formate wie die Heimatpost, eine Art Newsletter, wurden eingerichtet für Menschen, die für Ausbildung und Beruf den Kreis verlassen – aber doch in Kontakt damit bleiben wollen. Langfristig ist es unser Ziel, die Menschen – salopp gesagt – gar nicht richtig loszulassen, sie emotional erst gar nicht zu verlieren. Denn alles im Leben
hat seine Zeit. Steht die Familiengründung an, ist für viele wieder denkbar, was lange unvorstellbar war: zurückzukehren.
Warum lohnt das? Oder – um die Frage ganz vom Anfang umzudrehen: Warum ist der Kreis für Rückkehrer so attraktiv?
Er hat sehr vieles zu bieten: Arbeit, günstigen Wohnraum, tolle Menschen, Sicherheit. Und ganz grundsätzlich ist der Kreis Höxter mittendrin – in so vielerlei
Hinsicht: mitten in der Natur, in einem vielfältigen Wirtschaftsstandort, aber auch mitten in Deutschland. Wer möchte, ist hier auch schnell mitten in der Dorfgemeinschaft, mitten im Leben.