Serie Hofleben transparent: Eine schöne (Bio-) Schweinerei
Jörg Aufenanger, Natzungen
Landwirte kämpfen für die Wertschätzung und Unterstützung ihres Berufsstandes in Politik und Gesellschaft. Sie protestierten Anfang des Jahres gegen die Kürzung von staatlicher Unterstützung, überbordende Bürokratie, fehlende Planungssicherheit und für faire Preise an den Supermarktkassen. Mit der Serie Hofleben transparent schauen Öko-Modellregion und Regionalmarke auf die Höfe um die Ecke bei uns im Kreis Höxter um zu erfahren, was die Landwirte und Landwirtinnen bewegt und wie sie ihre Zukunft sehen.
„Such Dir einen Job, den Du von Herzen liebst, dann brauchst Du nicht zu arbeiten“ – diesen Spruch habe er vor Jahren gehört, und so sieht Jörg Aufenanger seinen Beruf. Der Bio-Landwirt in der Öko-Modellregion Kreis Höxter hält in der Nähe von Borgentreich Mastschweine.
Als jüngstes von drei Kindern der Familie wuchs er dem mittelständischen Hof auf. Der Betrieb wurde 1970 ausgesiedelt. Wohnhaus und Betriebsgebäude liegen idyllisch im Grünen, an der Landstraße L 953 zwischen Natzungen und Borgentreich. „Wenn es nach meinem Vater gegangen wäre, hätte ich einen anderen Beruf erlernt“, erzählt der 37-Jährige. So besuchte er zuerst die Handelsschule – und wurde sich immer sicherer, dass er Landwirt werden wollte.
Schon als Kind sei er gern bei der Arbeit auf dem Feld oder im Stall dabei gewesen, erinnert er sich. „Ich hatte den L-Virus von Geburt an“, meint er lächelnd. Als sein Vater schließlich seine Unterstützung zusicherte, sei das für ihn wie ein Geschenk gewesen, erinnert sich der Landwirt. So absolvierte er das Fachabitur, ein Praktikum und dann das Studium der Agrarwissenschaften. Während auf dem elterlichen Betrieb Milchkühe gehalten wurden, entdeckte Aufenanger schon in der Praktikumszeit sein Faible für Schweine. „Das ist mein Ding, da habe ich unheimlich viel Spaß dran“.
„Von Geburt an mit dem L-Virus infiziert“
Also weg von den Kühen – und gleichzeitig weg von der konventionellen Landwirtschaft: 2011 baute er den elterlichen Hof um und gründete gemeinsam mit einem weiteren Betrieb eine Gesellschaft, die dann 420 Bio-Mastschweine hielt. Das war der Start – heute führt Aufenanger den Betrieb allein und hat die doppelte Anzahl Tiere. Er bewirtschaftet 80 Hektar Ackerland und beschäftigt einen Mitarbeiter.
Die Schweine kommen als sechswöchige Ferkel zum Betrieb. Sie leben in Gruppen von 50 Tieren in den Stallabteilen. Später, wenn sie gewachsen sind, werden sie nach Größe sortiert und getrennt. Zu jedem Abteil gehört ein mit Stroh eingestreuten Auslauf unter freiem Himmel. Die Ferkel jagen spielend umher, ältere Schweine liegen wohlig in der Sonne. Der Stall hat an den Außenseiten keine festen Wände, sondern Netze, die zwar den Wind brechen, aber ganzjährig Außenklima im Stall gewährleisten. Das fällt beim Gang durch den Stall auf – es riecht kaum „nach Schwein“. Innen schaffen niedrige Holzdecken geschützte Bereiche, in denen ein wärmeres Kleinklima den Schweinen Wohlbehagen auch an kalten Tagen verspricht. „Es soll so bleiben, wie es jetzt läuft“, wünscht sich Jörg Aufenanger für die Zukunft. Die Nachfrage nach Bio-Schweinefleisch sei groß, mit dem Absatz ist er zufrieden. „Die Schulden tilgen“, die durch die Stallbauten und -erweiterungen entstanden sind, das sei das Betriebsziel der nächsten Jahre.
Nachhaltiges Wirtschaften und tiergerechte Haltung ist ihm wichtig. Die Produktion qualitativ hochwertiger Nahrungsmittel für die Verbraucher, im Einklang mit Natur und Umwelt, sieht er als den Weg der Landwirtschaft in der Zukunft. Jörg Aufenanger und seine Frau Ina haben zwei Kinder. Wenn sein kleiner Sohn nach der KiTa frage: „Papa, darf ich gleich mit Dir arbeiten?“, sei das ein großartig. Es mache ihn froh, seine Kinder so aufwachsen zu sehen.
In der Öffentlichkeit fühlt der Landwirt sich und seine Arbeitsweise grundsätzlich positiv wahrgenommen. Immer mal wieder hätte er Besuch von Privatpersonen, die einfach mal „ein Schwein sehen möchten“ oder von Abschlussklassen landwirtschaftlicher Fachschulen. Es ist ihm wichtig, transparent zu sein, seinen Hof und seine Arbeitsweise jederzeit zeigen zu können. Leidenschaftlich erklärt er die Kreisläufe des Betriebes, den Weg der Nährstoffe vom Jauchelager, das gerade gebaut wird, über den Acker zum Futter für die Schweine. „Wir ernähren nicht die Pflanzen, sondern den Boden“, erklärt er.
„Uns Bauern gehört das Land“ – das sei eine Verpflichtung, aber auch das Recht, unternehmerische Entscheidungen zu treffen. Als Landwirt ist man fast automatisch in der Position des „Schuldigen“, sei es in der öffentlichen Wahrnehmung oder bei der Beantragung von Beihilfen aus dem Agrarhaushalt, die oft genug praxisfremd und aufwendig seien. „Das ist menschlich schwierig, es trübt Lust und Willen“, meint Aufenanger. Trotzdem: „Landwirtschaft und damit Landwirte wird es immer geben“, ist er überzeugt.
Zu diesem Beitrag: Dieser Artikel aus der Serie „Hofleben transparent“ soll den Landwirtinnen und Landwirten im Kreis Höxter ein Gesicht geben und ihre berufliche Situation unabhängig von Protesten und Treckerdemos schildern. Egal ob bio oder konventionell, hinter den Betrieben stehen Familien, unternehmerische Entscheidungen und leidenschaftliche Akteure, die unsere Kulturlandschaft prägen, die aber allzu oft aus unserer echten Wahrnehmung verschwunden sind.
Bilder & Text: I. Spieker-Siebrecht