Cécile und Nicolaus Droste zu Vischering
Der Wunsch, mehr Zeit für- und miteinander zu haben, hat sich für uns erfüllt
Nach Stationen in etlichen deutschen Großstädten kehrten Cecile und Nicolaus Droste zu Vischering im Sommer 2019 nach Lütmarsen zurück. Für ihn: ein Lebenstraum. Für sie: ein gewöhnungsbedürftiger Ortswechsel.
Erzählt doch mal ….
Nicolaus: Ich habe hier, in Lütmarsen, eine fantastische Kindheit erlebt. Die Weite, die Freiheit, die Möglichkeiten, die die Region bietet: Das Stadtleben, das ich lange lebte, hat all das nicht überbieten können. Darum war für mich immer klar, dass ich irgendwann zurückkehren würde.
Cécile: „Um Gottes Willen!“, dachte ich, als mir Nico kurz, nachdem wir uns kennengelernt hatten, offenbarte, dass er wieder aufs Land ziehen möchte. Nicht sofort, aber irgendwann, bestimmt. Ich bin in Paris geboren, hatte bis dahin nur in Großstädten gelebt. Ich habe ihm immer gesagt: Ich weiß nicht, ob ich auf dem Land leben und glücklich werden kann.
Was gab den Anstoß zurückzukehren?
Cécile: Weihnachten vor drei Jahren sagten uns meine Schwiegereltern, dass ihnen das Forsthaus zu groß würde, sie gern in eine kleinere Wohnung ziehen und sich freuen würden, wenn wir das Haus übernähmen. Der Gedanke erschien mir nun nicht mehr so fern. Wir hatten unterdessen drei Kinder bekommen. Nico war beruflich sehr eingespannt, viel unterwegs, weshalb ich zuhause in Münster das meiste regeln und organisieren musste. Diese klassische Rollenverteilung nervte mich. Und ich hegte die Hoffnung, dass auf dem Land vieles entspannter abläuft, wir wieder Zeit für die Ehe haben, das Familienleben gleichberechtigter meistern.
Nicolaus: Die beruflichen Rahmenbedingungen haben uns gestresst. Zudem stand der Schulwechsel bei unserer großen Tochter an. Irgendwie schien die Zeit gekommen zu sein.
Cécile: Wir haben aber einen Vertrag vereinbart: Sollte ich auf dem Land unglücklich sein, gibt es einen Weg zurück.
Wie sieht das Leben in der neuen, alten Heimat wirklich aus?
Cécile: Überraschend anders! Wir hatten den Ort, an dem wir nun leben, oft besucht. Doch als wir ankamen, bemerkte ich: Wir hatten während unserer Besuche offenbar viel im Forsthaus gesessen. Den Wald, in den man direkt eintauchen kann, das wunderbar weite Land, das alles kannte ich gar nicht. Wir – vor allem die Kinder – genießen die Natur heute sehr. Anderes bleibt mir fremd: das Frauenbild in der älteren Generation etwa. Kurz nachdem wir umgezogen waren, trafen Nico und ich einen älteren Mann. Er fragte: „Kann sie denn kochen?“ – während ich neben ihm stand! Ich war doch aufs Land gezogen, um wieder mehr als Psychologin und Coachin arbeiten zu können, nicht, um auf die Rolle von Mutter und Hausfrau reduziert zu werden.
Nicolaus: Der Wunsch, mehr Zeit für- und miteinander zu haben, hat sich für uns erfüllt. Mein Dienst bei meinem Arbeitgeber beschert uns die Flexibilität, die wir uns mit dem Wechsel ins Weserbergland erhofft hatten: für die Begleitung unserer Kinder und die Arbeit im familieneigenen Forst. Allerdings muss ich zugeben, dass der berufliche Neustart holpriger war als gedacht. Ich bin mit dem guten Vertrauen zurückgekehrt, dass ich als Akademiker mit reichlich internationaler Erfahrung und Fremdsprachenkenntnissen schon irgendetwas finden werde. Ich war auch zu vielen Zugeständnissen, was Branche und Bezahlung anbelangt, bereit. Aber viele Unternehmen zeigten kein Interesse, keine Offenheit für andere Karrierewege, Quereinstiege. Bisweilen ertappte ich mich bei dem Gedanken: Höxter braucht mich gar nicht. Das war ernüchternd. Die Kirche war da viel offener.
Heute arbeite ich als Verwaltungsleiter des Pastoralen Raums Steinheim-Marienmünster-Nieheim: ein großes Geschenk.
Was fehlt vom alten Leben?
Nicolaus: Hochwertige kulturelle Angebote, den Austausch darüber, das vermisse ich schon.
Cécile: Menschen, die Freude daran haben, herumzuspinnen und gemeinsam Ideen zu entwickeln. Tradition, Kontinuität sind hier auf vielen Ebenen wichtige Werte. Gutes Essen fehlt mir manchmal auch.
Wie holt ihr Euch etwas vom alten ins neue Leben?
Nicolaus: (lacht) Indem wir den Münster-Tatort gucken und uns an Bildern aus der alten Heimat erfreuen.
Cécile: Wir haben uns eine große, schöne Küche gebaut, in der wir gut kochen und essen. Außerdem habe ich letzter Zeit entdeckt, dass es in der weiteren Umgebung tolle kulturelle Orte wie das MARTA in Herford gibt.
Größter Stolperstein bei eurer Rückkehr?
Nicolaus: Kommen alle Familienangehörigen hier gut an? Diese Frage hat mich anfangs beschäftigt, auch belastet. Vor allem unsere große Tochter, die zehn war, hat ihren Münster-Freundinnen sehr hinterhergetrauert. Insofern war die lange Phase der Jobsuche auch ein Geschenk: Ich hatte auch Zeit, mich um die Kinder zu kümmern.
Cécile: Ich war anfangs sehr ehrgeizig damit, Kontakt zu knüpfen zu Menschen und Institutionen. Manche fühlten sich von meiner Euphorie, meinen Ideen überrollt. Ich musste begreifen, dass die Menschen hier Zeit brauchen, um Vertrauen zu entwickeln.
Größter Glücksmoment bei eurer Rückkehr?
Nicolaus: Dürre und Schädlingsbefall machen auch in unserem Revier einen großen Waldumbau nötig. Und darum die Kontrolle des Wildbestandes. Schon 2019 veranstaltete ich darum eine Ansitzjagd. Es war ein wunderschöner und erfolgreicher Jagdtag, der in mir das Gefühl aufkommen ließ: Das ist der richtige Weg – und ich kann das auch.
Cécile: Unsere große Tochter in der Natur zu beobachten – das macht mich immer wieder glücklich. Sie hat sich von ihrer Großmutter für den Garten begeistern lassen und sich in kurzer Zeit großes Wissen über den Wald angeeignet, da einen Ort gefunden, der ihr viel gibt: ist sie genervt von irgendetwas, dann geht sie kurz in die Natur, den Wald. Ohne die Rückkehr aufs Land hätte sie das wohl nie für sich entdeckt. Unser Sohn geht hier ebenfalls auf, will in den Spielmannszug eintreten. Es ist schön für mich zu sehen, wie schnell er hier eine Heimat gefunden hat. Und unsere jüngste Tochter wächst ganz selbstverständlich mit Natur und der Verbindung zu unseren Schafen auf.
Ultimativer Rückkehrer-Tipp?
Nicolaus: Es braucht Gelassenheit und Zeit. Alte Netzwerke zu reaktivieren – damit kann man gar nicht früh genug anfangen.
Cécile: Es mag komisch klingen, aber sich gedanklich eine Exit-Option zuzulassen, hilft sehr. Nico und ich können dadurch sehr offen miteinander reden, das schweißt zusammen. Und Zusammenhalt brauchen wir.